Vorwort:
Die Aufarbeitung der Geschichte des Stadtbades Lichtenberg hat sich doch als weitaus schwieriger dargestellt als wir es uns je erahnten.Im Normalfall existieren über derartige Bauvorhaben sogenannte Bauakten. Diese liegen zum Stadtbad Lichtenberg aus der Entstehung um 1919 – 1928 nicht vor. Viele Unterlagen des Stadtarchivs Lichtenberg wurden bei Bombenangriffen zum Ende des 2. Weltkrieges, laut Aussagen der Lichtenberger-Verwaltung vernichtet. Somit konnten wir uns nur auf den kläglichen Rest vorhandener Zeichnungen und Zeitungsartikel ein Bild machen. Dennoch gibt es Hinweise und Anhaltspunkte die wir in der Entwicklung des Badewesens in Deutschland gefunden haben und die bereits Mitte des 19. Jahrhunderts begann.
Das Stadtbad Lichtenberg wurde am 02.02.1928 als Städtisches Volksbad eröffnet. Es ist ein Baustein der Entwicklungsgeschichte von Volksbädern, deren Entstehung im letzten Viertel dieser Bewegung stand und die unter sehr schwierigen Bedingungen ab 1919 von den Stadtvätern Berlins und Lichtenbergs umgesetzt wurde. Für die weitere Betrachtung müssen wir allerdings ca. 75 Jahre zurück blicken.
Die Anfänge:
Es war die Zeit der Industrialisierung Europas. In allen Ballungszentren entwickelten sich Industriebetriebe. Die Folge war der massenhafte Zustrom an Arbeitern in die Großstädte und damit verbunden eine beispiellose Wohnungsnot. Und nicht nur das, sondern auch eine einhergehende Hungersnot verbunden mit einer katastrophalen Hygiene.
In den meisten Städten wurden die Stadtkerne zu Büro- und Geschäftszentren umgewandelt und somit die Wohnungsnot weiter verschärft. Der Wohnungsbau konnte mit der Industrialisierung nicht Schritt halten. Selbst Einzimmerwohnungen wurden untervermietet, in fast allen Zweizimmerwohnungen finden sich sogenannte Schlafleute, d.h. Menschen, die keine eigene Wohnung besaßen und gegen Entgeld eine Schlafstelle mieteten. Mehr als die Hälfte aller Wohnungen in Berlin hatten kein beheizbares Zimmer, mehr als ein Drittel besaß keine Küche und von einem Bad ganz zu schweigen.
Diese Verhältnisse führten zum drastischen Anstieg von Infektionskrankheiten wie z.B. Cholera, Typhus, Pocken, Ruhr, Diphtherie, Masern, Scharlach und Keuchhusten. Namhafte Ärzte, wie z.B. Robert Koch, Rudolf Virchow und viele andere schlugen daher Alarm und forderten eine rasche Verbesserung der Wohnverhältnisse und der Möglichkeit der Körperreinigung. In England und Frankreich begann dieser Prozess zuerst in den Industriegebieten mit kleinen Bade- und Waschanstalten. Dem Beispiel folgend wurden zunächst in Hamburg und dann in Berlin ähnliche öffentliche Bäder errichtet. Allerdings fehlte es bei der Arbeiterschaft noch an entsprechender Einsicht diese Badegelegenheiten zu nutzen.
Bis Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts bestanden erst etwa ein Dutzend solcher öffentlicher Badeanlagen. Aber das Bedürfnis war geweckt und aller Orten wurden in Deutschland Bestrebungen wach, die Badegelegenheit dem Volke zu erweitern und zu verbilligen.